Aus Thurgauer
Archiven

Judit Villiger setzt sich seit längerem mit der Bedeutung von kollektiven Bildgedächtnissen oder mit Bildwirkung und Bildmacht auseinander. Welche Bilder hüten und bewahren wir? Welche Spuren hinterlassen Menschen in den Bildgedächtnissen und -archiven? Und: Gibt es künstlerische Strategien des Verschiebens oder Umordnens, die auf das Erinnern und Vergessen von Bildern (und den Menschen, von denen sie erzählen) Einfluss nehmen können? Aus ihren künstlerischen und wissenschaftlichen Recherchen entwickelt Judit Villiger Werkkomplexe wie die als Block von neun Bildern angeordneten Arbeit Aus Thurgauer Archiven / eine UmOrdnung (2018/19). Für diese legt sie den Fokus auf ihre, wie sie sagt, „eigene Bild-Umgebung“ und spürt den Bildern von Personen nach, die in der Ostschweiz aktiv waren. Angetrieben von einer feministischen Perspektive sind es dabei insbesondere die (oft vergessenen) Abbildungen von Frauen, die die Künstlerin verwendet. Ausgehend von den in Archiven und anderswo aufgespürten Fotografien entwickelt Judit Villiger Tafelbilder, für die sie die vergrösserte und reproduzierte Abbildung mit verschiedenen Techniken verfremdet. Dabei thematisieren die Anordnung im Block – und in diesem Sinne die Kontextualisierung – und verfremdende Bearbeitung die Verschiebungen von Lesbarkeit und Macht der Bilder. Das Portrait der anonymen Bäuerin in einem Uesslinger Rebberg zur Zeit des Zweiten Weltkrieges oder der Hebamme Marie Ziegler-Liechti (1879–1963) verweisen ebenso darauf wie das Bild der Thurgauer Malerin Helene Dahm (1878–1968). (Gioia Dal Molin, 2019)